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Man sollte die Fahrzeuge wie an der Börse handeln

Lange Standzeiten, schwache Restwerte: Die Vermarktung gebrauchter Elektroautos stellt viele Autohäuser vor Herausforderungen. Christian Wittmann und Philipp Kranich von der Unternehmensberatung RPC liefern im Interview Impulse für verschiedene Aspekte des Geschäfts, von Marketing und Preisgestaltung bis zum Aftersales.
08.05.2025

Artikel von Christian Wittmann und Philipp Kranich
veröffentlicht im kfz-betrieb

Die Nachfrage nach gebrauchten Elektroautos ist verhalten, die Restwerte sind überwiegend schwach. An welchen Hebeln können Autohäuser ansetzen, um die Fahrzeuge erfolgreich zu handeln?

Christian Wittmann: Wir sehen zwei wesentliche Ansatzpunkte: Der erste ist ein professionelles Marketing. Direktes Gebrauchtwagenmarketing ist am deutschen Markt bislang kaum existent. Für gebrauchte Elektroautos ist die Zielgruppe sehr spitz – man muss sie finden und ansprechen. Es reicht nicht, die Fahrzeuge bei Börsen einzustellen. Der zweite Punkt ist die Befähigung des Handels. Wenn ein Händler nicht an die Fahrzeuge glaubt, wird er sie nicht verkaufen. Zu den Führungsaufgaben im Handel gehört es daher, die Teams in den Autohäusern zu motivieren und mit Trainings und Zusatzqualifikationen zu befähigen.

Welche Marketing-Maßnahmen würden Sie Händlern konkret empfehlen?

Wittmann: Sie müssen das Einmaleins des Marketings auf ein neues Produkt anwenden: Analysieren, welchen Nutzen die Fahrzeuge bringen und welche Kunden diese Bedürfnisse haben. Händler sollten ihre Positionierung als Experte über die eigene Website schärfen, Zusatzangebote wie Wallbox-Installationen anbieten und Social-Media-Kanäle bespielen. Das alles bedeutet, dass man zu Beginn mehr investieren muss und damit nicht die gewohnten Margen erreicht.

Philipp Kranich: Die genannten Maßnahmen zielen stark auf die Neukundenakquise ab. Genauso wichtig ist der Blick auf die Bestandskunden. Autohäuser sitzen auf einem riesigen Datenschatz, den sie häufig nicht wertschätzen. Im Neuwagengeschäft ist es selbstverständlich, mit einem Angebot auf Kunden zuzugehen, wenn Leasing oder Finanzierung auslaufen. Auch Bestandskunden sollte man selektieren und prüfen, was sie gerade fahren und als nächstes brauchen könnten. Das ist ein scharfes Schwert. Eine Hürde ist, dass die Datensätze aus Aftersales und Vertrieb oft aus verschiedenen Systemen stammen und nicht vernetzt sind. Da sollte man ansetzen.

Was Marketing, aber auch Schulungen anbelangt, wären auch die Hersteller gefragt. Nehmen die bei ihren Aktivitäten nicht vor allem die Neuwagen in den Fokus?

Kranich: Hersteller haben ein großes Interesse daran, dass Gebrauchtwagen von den Höfen abfließen. Gebrauchtwagen sind ein Katalysator für den Neuwagenvertrieb. Wenn ein BEV über einen hohen Restwert verfügt, dann projiziert sich dieser auf den Leasingfaktor des Neuwagens und macht ihn preislich attraktiver. Vor dem Hintergrund ist der starke Fokus auf das Neuwagengeschäft seitens der Hersteller und Importeure kritisch zu sehen. Hersteller haben sich lange vor Leasing- und Finanzierungsangeboten für Gebrauchtwagen gescheut. Es gibt Non-Captive-Banken, die sich intensiver damit befassen. Ich würde auch an die Herstellerbanken appellieren, da mehr Gas zu geben.

Was gibt es für Banken und Händler im Gebrauchtwagen-Leasing zu beachten?

Kranich: Gebrauchtwagen werden im Vergleich zu Neuwagen deutlich länger gehalten, deshalb sollten auch längere Leasing-Laufzeiten angeboten werden. Wie bei Neuwagen müssen die Restwerte passen. Ein Grund, warum Gebrauchtwagen-Leasing bei Herstellern unbeliebt ist, ist, dass sie die Fahrzeuge nur für eine gewisse Zeit in ihrem Verantwortungsgebiet sehen möchten. Je länger die Fahrzeuge in den Büchern sind, desto schwieriger ist es, sie am Ende für einen ordentlichen Abgabewert zu verkaufen.

Wittmann: Gebrauchte Verbrenner haben auch nach 15 Jahren noch einen Wert. Es gibt einen Markt für die Fahrzeuge, zum Beispiel in Osteuropa. Für BEVs dieser Altersklassen gibt es hingegen noch keinen Handel. Den Preis, den man am Ende nicht bekommt, muss man einkalkulieren. Das ist eine Herausforderung.

Kranich: Eine Lösung könnte sein, sich Gedanken über weitere Verwertungszyklen zu machen. Batterierecycling kann selbst für Händler ein interessantes Geschäftsfeld sein. Lueg ist zum Beispiel in dem Bereich aktiv.

"Ich stelle mir das ideale Gebrauchtwagengeschäft so vor, dass Preise auf Knopfdruck am Hof und in den Börsen angepasst werden. Solange das nicht der Fall ist, haben wir noch einiges aufzuholen."

– Philipp Kranich

Ein sensibles Thema bei der Vermarktung gebrauchter E-Autos ist die Preisfindung im Ankauf und Verkauf. Wie treffen Händler den richtigen Preispunkt?

Wittmann: Für ein gutes Pricing stellt man sich einen Gebrauchtwagen – egal welcher Antriebsart – am besten als Asset vor, das jeden Tag an Wert verliert. Man sollte die Fahrzeuge wie an der Börse handeln und Angebot und Nachfrage in Echtzeit verstehen. Wenn man weiß, wie viel das Fahrzeug gerade wert ist, kann man den Preis anpassen. Mit Bauchgefühl kommt man nicht weiter. Händler müssen sich digital stärker aufstellen und datengesteuerte Geschäftsprozesse implementieren. Dabei kommt künstliche Intelligenz zunehmend ins Spiel.

Kranich: Die entsprechenden Software-Tools gibt es bereits, man muss sie aber auch nutzen. In vielen Autohäusern ist noch nicht angekommen, wie entscheidend Geschwindigkeit ist. Ich kenne einige Beispiele, wo sich der Verkaufsleiter alle zwei Wochen die Auszeichnungspreise der Fahrzeuge ansieht. Der Verkaufsleiter müsste als Führungskraft strategische Entscheidungen treffen und nicht operativ tätig sein. Der Einkauf sollte sich darauf konzentrieren, zu beobachten, welche Fahrzeuge attraktiv sind und zu welchen Preisen sie eingekauft werden können. Auch digitale Preisschilder werden zu selten genutzt. Ich stelle mir das ideale Gebrauchtwagengeschäft so vor, dass Preise auf Knopfdruck am Hof und in den Börsen angepasst werden. Solange das nicht der Fall ist, haben wir noch einiges aufzuholen.

Aus Kundenperspektive klingen ständig wechselnde Preise wenig transparent.

Kranich: Die Kunden kennen das Vorgehen bereits von Onlineportalen wie Amazon oder Booking.com. Außerdem handelt es sich um einen theoretischen Ansatz – die Preise schwanken nicht so stark, dass man tatsächlich täglich eingreifen muss. Man muss aber in der Lage sein, die Schwankungen sofort zu erkennen.

"Wenn man digitale Prozesse einführt, dann für alle Antriebe."

– Christian Wittmann

Sehen Sie Elektroautos als Beschleuniger der Professionalisierung im Gebrauchtwagengeschäft?

Wittmann: Die Situation mit gebrauchten Elektroautos ist auf jeden Fall eine Chance, das Gebrauchtwagengeschäft allgemein zu transformieren und zu optimieren. Wenn man digitale Prozesse einführt, dann für alle Antriebe.

Kranich: Wer seine Prozesse nicht im Griff hat, wird mit elektrischen Gebrauchtwagen an seine Grenzen kommen. Umgekehrt gilt es genauso. Viele Führungskräfte bei großen Gruppen berichten mir, dass sie eine große Chance im BEV-Segment sehen, ihren Absatz zu steigern.

Inwiefern?

Kranich: Der Einkaufspreis entscheidet immer über den Erfolg. Bei BEVs kann man Privatkunden mit marktgerechten Preisen leicht enttäuschen. Ein guter Hebel kann es aber sein, anderen Autohäusern Langsteher in größeren Zahlen abzunehmen, bevor sie zur Auktion gehen. Ein Netzwerk zu anderen Markenhändlern aufzubauen, Fahrzeuge zu einem Schmerzpreis zu kaufen und dann knackig anzubieten sorgt zwar nicht für hohe Margen, aber für Volumen. Das unterstützt die Serviceumsätze.

Welche Rolle spielt der Aftersales-Bereich im Handel mit gebrauchten E-Autos?

Kranich: Der Aftersales-Bereich spielt grundsätzlich eine wichtige Rolle, um wenig margenträchtige Fahrzeuge mit Gewinn zu vermarkten. Wir sehen eine sehr zerklüftete Landschaft: Die Gebrauchtwagen-Abteilung kämpft genauso um einen Platz in der Werkstatt wie die Neuwagen-Abteilung. Eine Werkstatt tut sich schwer damit, sich auf alle Bereiche zu spezialisieren. Gebrauchte werden oft hintenangestellt, wenn Neuwagen schnell ausgeliefert werden müssen. Das führt zu wochenlangen Vorlaufzeiten für Kunden, aber auch zu einer verlängerten Standzeit eins.

Was schlagen Sie als Lösung vor?

Kranich: Man sollte die Organisation überdenken. Zumindest als Autohaus-Gruppe mit gewissem Volumendruck und mehreren Standorten kann man erwägen, das Gebrauchtwagengeschäft auszugliedern. Immer mehr Gruppen bauen Service Factories, die auf Gebrauchte spezialisiert sind. So lassen sich die Standzeit eins sowie die Time-to-Market verkürzen und die Onlinepräsenz verbessern. Außerdem lassen sich Reparatur- und Aufbereitungskosten senken. Das Ziel ist es, den Deckungsbeitrag pro Fahrzeug zu erhöhen, durch schnellere Prozesse von der Hereinnahme bis zum Verkauf.

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Christian Wittmann
Christian Wittmann
Principal
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